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Brehms kurioses Tierleben: Der Waschbär

Brehms Tierleben ist ein Werk, dass fast Jeder – zumindest dem Namen nach – kennt. Begründet wurde das populäre zoologische Nachschlagewerk durch den Sachbuchautor Alfred Edmund Brehm (1829-1884). Ursprünglich schrieb er Aufsätze über zoologische Themen für populärwissenschaftliche Zeitschriften. Die waren derart erfolgreich, dass das Bibliographische Institut mit Brehm einen Vertrag über eine zehnbändige zoologische Enzyklopädie abschloß.

 Wilhlem Simmler (1840−1914): Portrait Alfred Brehm (ca. 1860)
Wilhlem Simmler (1840−1914): Portrait Alfred Brehm (ca. 1860)

Zwischen 1863 und 1869 erschienen dann unter dem Titel „Illustriertes Thierleben“ die ersten sechs Bände. Schon 1876 gab es einen zweite Auflage, jetzt bereits als „Brehms Thierleben“. Das Werk machte den Autor weltweit bekannt und ist uns bis heute ein Begriff. Die Bände sind nicht nur in Antiquariaten zu finden – es gibt auch zahlreiche aktuelle Ausgaben. Oft handelt es sich dabei um aktualisierte Texte oder neue Auswahlen der ursprünglichen Texte.




Die in den frühen Ausgaben enthaltenen Fakten sind zwischenzeitlich natürlich längst überholt. Außerdem waren die zoologischen Fachkenntnisse des Autors in vielen Bereichen des Tierreichs mehr als lückenhaft. Dazu schrieb Brehm in einer sehr blumigen, wenig wissenschaftlichen Sprache, die aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Mode war.

So wirken die Originaltexte heute oft unfreiwillig komisch. Ich selbst schwanke beim Lesen oft zwischen lautem Lachen und Kopfschütteln ob der Komik und Unwissenheit. Trotzdem – oder gerade deswegen – möchte ich Ihnen ab heute mehr oder weniger regelmäßig einige Kapitel aus Brehms Tierleben vorstellen. Denn Brehms Tierbeschreibungen sind nicht so staubtrocken, wie man es aus heutigen Lexika kennt. Sie sind emotional und teilweise sogar poetisch. Aber urteilen Sie selbst – anfangen möchte ich mit dem Waschbären:

Der Waschbär oder Schupp

Ein jung eingefangener Waschbär wird gewöhnlich sehr bald und im hohen Grade zahm. Seine Zutraulichkeit, Heiterkeit, die ihm eigene Unruhe, die niemals endende Lust an der Bewegung sowie sein komisches, affenartiges Wesen machen ihn den Leuten angenehm.




Auf Scherz und Spiel geht er sofort mit Vergnügen ein und knurrt dabei leise vor Behagen, ganz so, wie junge Hunde dies zu tun pflegen. Er weiß sich immer mit etwas zu beschäftigen und ist auf alles, was um ihn her vorgeht, sehr achtsam. Bei seinen Spaziergängen in Haus und Hof stiftet er viel Unfug an.

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Er untersucht und benascht alles, in der Speisekammer sowohl, wie im Hof und Garten. Der Hausfrau guckt er in die Töpfe, und wenn diese mit Deckeln versehen sind, versucht er, dieselben auf irgendeine Weise zu öffnen, um sich des verbotenen Inhaltes zu bemächtigen.

Eingemachte Früchte sind besondere Leckerbissen für ihn; er verschmäht aber auch Zucker, Brot und Fleisch im verschiedensten Zustande nicht. Im Garten besteigt er die Kirsch- und Pflaumenbäume und frißt sich da oben an den süßen Früchten satt.

Auch in der Gefangenschaft behält der sonderbare Kauz die Gewohnheit bei, alles, was er frißt, vorher ins Wasser einzutauchen und zwischen den Vorderpfoten zu reiben, obgleich ihm dabei manche Leckerbissen geradezu verloren gehen, wie z.B. der Zucker.

In den zahlreichen Mußestunden, welche jeder gefangene Schupp hat, schildert L. Beckmann, treibt er tausenderlei Dinge, um sich die Langeweile zu verscheuchen. Bald sitzt er aufrecht in einem einsamen Winkel und ist mit dem ernsthaftesten Gesichtsausdruck beschäftigt, sich einen Strohhalm über die Nase zu binden, bald spielt er nachdenklich mit den Zehen seines Hinterfußes.

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Ein anderesmal liegt er auf dem Rücken, hat sich einen ganzen Haufen Heu oder dürre Blätter auf den Bauch gepackt und versucht nun, diese lockere Masse niederzuschnüren, indem er die Rute mit den Vorderpfoten fest darüberzieht.

Kann er zum Mauerwerk gelangen, so kratzt er mit seinen scharfen Nägeln den Mörtel aus den Fugen und richtet in kurzer Zeit unglaubliche Verwüstung an. Wie Jeremias auf den Trümmern Jerusalems hockt er dann mitten auf seinem Schutthaufen nieder, schaut finstern Blickes um sich und lüftet sich, erschöpft von der harten Arbeit, das Halsband mit den Vorderpfoten.

Die Texte und Abbildungen stammen aus der mir vorliegenden dritten Auflage von Brehms Tierleben aus dem Jahr 1893.



Martina Berg ist Chefin von Bogensport Deutschland. Sie schießt Blankbogen, ist DFBV-Trainerin und Autorin von Bogensport-Büchern. Als Fach-Händlerin kennt sie sich auch mit Compound- und Recurvebögen aus. Dies ist ihr Hobbyblog.